Alexander Solschenizyn: Tod eines Mahners - Александр Солженицын: Смерть неравнодушного |
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Alexander Solschenizyn: Tod eines Mahners | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
In Russland trauert man um den wichtigsten Aufklärer über die Greueltaten während der Stalin-Ära: Alexander Solschenizyn. Die große Kunst des politischen Mahners und Nobelpreisträgers war nicht die Aufklärung an sich, sondern lag darin, das Elend so zu schildern, dass es einen nicht unberührt ließ. Alexander Solschenizyn war selbst von 1945 bis 1956 im "Gulag" interniert© Jacques Brinon/AP Wenn es so etwas gibt wie den russischen Nationalcharakter, dann gehört zu seinen Eigenarten ganz gewiss, dass Erinnerungen an Leid und Elend schnell verdrängt werden. Kaum eine Familie, die keine Angehörigen während der Stalinzeit verloren hat. Die Gesetze von damals, wonach der bloße Verdacht auf Spionage oder antisowjetische Propaganda ausreichten, einen Menschen für Jahre in eines der gefürchteten Gulags zu werfen, brachten jedermann in Gefahr. Die Zahl der Opfer des Stalinismus wird auf 20 bis 30 Millionen beziffert. Und doch hat man in Russland oft das Gefühl, dieses Elend hätte es nie gegeben. Der Mehrheit der Bevölkerung gilt Stalin immer noch als einer der größten Politiker, die jemals im Kreml herrschten. Acht Jahre Haft für Briefe an seinen Schwager Alexander Solschenizyn, der gestern im Alter von 89 Jahren in seiner Moskauer Wohnung an Herzversagen starb, war ein Opfer des Stalinismus. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs hatte ihn die sowjetische Spionageabwehr verhaftet, weil er Stalin in Briefen an seinen Schwager kritisiert hatte. Nach Artikel 58 des sowjetischen Strafgesetzbuches standen darauf acht Jahre Haft. Er saß die volle Zeit ab, zunächst in einem Sonderlager für Wissenschaftler nahe Moskau und später in Kasachstan. Die Erzählung, in der Solschenizyn erstmals seine Erfahrungen aus der Lagerzeit schilderte, trägt den Titel "Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch". Der Text ist erdrückend. Nicht, weil er die Brutalität schildert, mit denen Wärter die Häftlinge drangsalierten oder wie Menschen durch Folter, Hunger und Hinrichtungen zu Tode kamen. Das Erdrückende liegt im Alltäglichen - darin, wie selbstverständlich Solschenizyns Romanheld alle Erniedrigungen auf sich nimmt. Iwan Denissowitsch wurde verhaftet, weil er als ehemaliger Kriegsgefangener angeblich Geheimnisse verraten hat. Er gehört zu einer Brigade, die in einem Kraftwerk bei minus 20 Grad eine Mauer hochziehen muss. Seine Welt wird von Arbeit bestimmt und vom Warten auf die nächste Mahlzeit; sein Glück hängt von Kleinigkeiten ab, etwa ein extra Schlag Brei, ein Kanten Brot, ein Stückchen Metall, das er verstecken und zu einem Messer schleifen kann. Er ist froh, wenn er nicht zur gefürchteten Baustelle "Sozgord" ausrücken muss, nicht von den arroganten Vorarbeitern schikaniert oder als Strafmaßnahme in den Bunker gesperrt wird. Der Tag, den Solschenizyn aus Denissowitschs Leben beschreibt, ist ein Tag, an dem "nichts schief gegangen" ist. "Fast ein glücklicher Tag." Nur kurze Tauwetter-Phase unter Chruschtschow Dass der Text 1962 in der russischen Literaturzeitschrift "Neue Welt" veröffentlicht werden durfte, war eine Sensation. Nikita Chruschtschow, der in seiner berühmten Geheimrede auf dem 20. Parteitag der KPdSU die "Entstalinisierung" eingeleitet hatte, hatte die Erlaubnis persönlich erteilt. Nachdem die Publikation ein solcher Erfolg war, wurde Solschenizyn Chruschtschow sogar vorgestellt. Doch das war nur eine kurze Phase, in der es so aussah, als sei die Sowjetunion bereit, sich mit der allerfinstersten Seite Ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. Nach Chruschtschows Sturz wurden weitere Werke Solschenizyns wie "Der Archipel Gulag" vom KGB schon als Manuskript beschlagnahmt, glücklicherweise, nachdem es Solschenizyn gelungen war, eine Kopie in den Westen zu schmuggeln. Der Nobelpreisträger wird ausgewiesen Solschenizyn liebte seine Heimat und wollte sie nie verlassen. Deshalb reiste er 1970 auch nicht nach Stockholm, wo ihm für die Geschichte des Iwan Denissowitsch der Literaturnobelpreis verliehen wurde. Er hatte Angst, man würde ihn anschließend nicht wieder in die Sowjetunion einreisen lassen. Die Prominenz im Westen gab ihm zwar einen gewissen Schutz vor Repressalien, doch dies verhinderte nicht, dass er im Februar 1974 schließlich doch außer Landes gewiesen wurde. Erst zwanzig Jahre später kehrte er zurück. Es klingt absurd, wenn man heute in den russischen Medien liest, Solschenizyns Verdienst sei es, dass durch sein Werk die Wahrheit über Stalins Gulags ans Tageslicht kam. Die Wahrheit war und ist so offensichtlich, dass sie gar nicht übersehen werden kann. Man kann sie nur leugnen, ignorieren, totschweigen oder schönreden. Solschenizyns Verdienst liegt darin, dass er nichts dergleichen tat, sondern sein ganzes Talent aufbrachte, das Elend so zu schildern, dass es einen nicht unberührt lassen kann. Die gute Nachricht ist, dass "Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch" seit kurzem in den Lehrplan für russische Schulen aufgenommen wurde. |
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